Wie steht die Freimaurerei zum Staat?

Dürfen sich Freimaurer politisch betätigen? In den Logen ist die soziale Gleich­heit eine Gleichheit außerhalb des Staates. Der Freimaurer versteht sich in der Loge nicht als Untertan der Staatsgewalt, sondern als Mensch unter Menschen. Diese Freiheit vom Staat ist wohl das eigentlich Politische in der Freimaurerei.

Die Freimaurerei und ihre Beziehung zum Staat nach ihrer Gründung 1717.

Welche Beziehung hatte die Freimaurerei im Absolutismus zum Staat? Was steht in den „Alten Pflichten“ von 1723? Wie sehen die Grundsätze der Freimaurerei heute aus?

Die Beziehung der Freimaurerei zu den obersten und nachgeordneten staatlichen Behörden ist bereits in den „Alten Pflichten“ von 1723 festgelegt, wo es in Kapitel II heißt: „Der Maurer ist ein friedliebender Bürger des Staates, wo immer er auch wohne und arbeite. Er darf sich nie in einen Aufstand oder eine Verschwörungen gegen den Frieden oder das Wohl seiner Nation verwickeln lassen und sich auch nicht pflichtwidrig gegenüber nachgeordneten Behörden verhalten.“

Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass die Brüder besonders verpflichtet seien, den Frieden zu förderndie Eintracht zu pflegen und nach Einigkeit und Bruderliebe zu streben. Der Staat hat sich allerdings zur Freimaurerei in verschiedener Weise verhalten. Er verbot sie, er duldete oder beschützte sie. Das staatliche Verbot hing vor allem mit der Stellung der katholischen Kirche zur Freimau­rerei oder mit absolutistischen und totalitären Regimen zusammen.

In den Logen wurden alle ständischen Unterschiede verwischt. Damit richtete sich zwar die Frei­maurerei gegen das bestehende Sozialgefüge im Absolutismus, stand aber noch in keinem grundsätzlichen Widerspruch zum absolutistischen Staat. In den Logen war die soziale Gleich­heit eine Gleichheit außerhalb des Staates. Der Freimaurer verstand sich in der Loge nicht als Untertan der Staatsgewalt, sondern als Mensch unter Menschen. Diese Freiheit vom Staat war wohl das eigentlich Politische in der Freimaurerei, denn ihre Unabhängigkeit und Freiheit konnte sie nur in jenem Bereich verwirklichen, der nicht unter dem Einfluss der politi­schen und kirchlichen Instanzen stand.

In der Öffentlichkeit wurde und wird die Freimaurerei als politisch einflussreiche Organisation gese­hen. Auch die Existenz der Logen wird oftmals politisch bewertet. In der Umsetzung freimaurerischer Ziele haben sich Freimaurer im Laufe der Geschichte immer wieder für Menschenrechte, für Menschenliebe und Toleranz eingesetzt und dies unabhängig von Religion, Rasse, Klasse, Volks- und Staatsangehörigkeit.

Warum wurde die Freimaurerei im Nationalsozialismus 1933 verboten?

Die Freimaurerei steht jedem demokratischen Staat loyal gegenüber. In der Hitlerzeit wurde die Freimaurerei „selbstverständlich” verboten, weil sie den Staatszielen entgegenlief. Rassengesetze, politischer Größenwahn und ungehemmte Aufrüstung zur Bedrohung anderer Länder und Völker waren mit den Zielen der Freimaurerei nicht in Einklang zu bringen. Ein demokratisches Staatssystem wird – selbst bei berechtigter Kritik bezüglich mancher Reform – immer von der Freimaurerei akzeptiert. Zum Ausdruck kommt dies u. a. bei Feierlichkeiten mit dem Toast auf das Vaterland. Dies ist nicht nationalistisch zu interpretieren, zumal in vielen Logen Brüder anderer Länder vertreten sind.

Wie sehen die Grundsätze der Großloge von Deutschland heute aus?

Die Großloge der „Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutsch-land“ gab sich auf der Grundlage der Alten Pflichten von 1723 und im Geist der durch sie begründeten freiheitlich-humanitären Tradition, aufbauend auf der Verfassung von 1949 auf dem Großlogentag zu Lübeck am 13.Mai 1994 eine überarbeitete Verfassung. In Artikel 5 steht der folgende Grundsatz:


Die Großloge und ihre Mitgliedslogen nehmen in konfessionellen oder parteipolitischen Auseinandersetzungen nicht Stellung.“

Die Freimaurerei ist also als Organisation unpolitisch, dem einzelnen Freimaurer steht es aber frei, sich aktiv politisch zu betätigen. Immer wieder zeigte sich jedoch in der Geschichte der Frei­maurerei, dass sie durch ihre Ziele und das humanitäre Ver­halten ihrer Mitglieder in der Gesellschaft indirekt politischen Einfluss nahm. So hat die Freimaurerei im 18. Jh. als gesellschaftliche Formation die Aufklärung mitgeprägt und ihre Mitglieder wirken auch heute aktiv weiter.

Sie machten sich um Deutschland verdient . . .

Gern nennen wir die großen Aufklärer wie Lessing und Herder, die großen Dichter und Denker wie Goethe und Wieland, dann die Generäle wie Gneisenau und Scharnhorst, die herausragenden Verleger wie Reclam, Dieterich, Hoffmann und Campe, die Staatsmänner Freiherr vom Stein, Hardenberg und Stresemann, die mutigen Vertreter freier Meinungsäußerung Ossietzky und Tucholsky, und es wären noch viele andere zu nennen, die sich zum Wohle unseres Vater­landes als Freimaurer verdient gemacht haben.

Gab es Freimaurer dieser Bedeutung nur in der Vergangen­heit?

Freimaurer, die nach dem Zweiten Welt­krieg Garanten für den neuen Kurs waren, sind selbst bei den lebenden Freimaurern noch nicht so in ihr Bewusstsein gedrungen, meist kennen wir ihre Namen nur im profanen Bereich. Hier möchte ich zuerst den Jurist und Politiker Carlo Schmid (1896-1979) nennen, der von 1946 bis 1953 als Professor für Völkerrecht in Tübingen lehrte und der sich führend am politischen Aufbau Württembergs beteiligte. Bald darauf wurde er Mitglied des Parlamentarischen Rats und hatte maßgeblichen Anteil an der Gestaltung des Grundgesetzes. Von 1949 bis 1966 und von 1969 bis 1972 bekleidete er das Amt des Vize-Präsidenten des Deutschen Bundestages. Lange nahm er den Vorsitz im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten ein. Vier Jahre war er Bundesminister und Koordinator für die deutsch französische Zusammenarbeit, wo er Hervorragendes leistete. Er setzte sich nachhaltig für die Integration Europas ein.

Beruflich in der Deutschen Presseagentur (dpa) tätig, verfasste der Journalist Fritz Sänger(1901-1984), der 1958 in der Hamburger Loge „Die Brückenbauer“ aufgenommen worden war, mit seinem Freund Carlo Schmid das „Godesberger Programm„, das die Sozialdemokratische Partei ab 1959 bis 1989 auf eine neue politische Grundlage stellte.

Fritz Sänger regte außerdem an, dass sich alle Freimaurer des Deutschen Bundestages unabhängig von ihrer Partei Zugehörigkeit zu einem Treffen zusammenfinden sollten, um sich in den übergeordneten Zielen der deutschen Politik zu verständigen.

1969 wurde Fritz Sänger mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Ebenfalls 1958 wurde der Arzt Dr. Ernst Fromm(1917-1992), in Berlin zum Freimaurer aufge­nommen. Er war von 1959 bis 1973 Präsident der Bundesärztekammer. Sein Hauptanliegen war es, nach der Zeit der national-sozialistischen Verwirrung unter der Ärzteschaft – man erinnere sich an die menschen­feindlichen Gesetze – wieder die alte und bewährte Ehren­ordnung unter seinen Kollegen zurückzugewinnen.

1 958 wurde Axel Springerin den Freimaurerbund aufgenommen. Über ihn, Deutschlands einflussreichsten Verleger zahlreicher Zeitungen, etwas zu sagen, erübrigt sich. Privat wie publizistisch setzte sich Springer stark für eine Aussöhnung mit dem jüdischen Volk ein und unternahm mehrere Reisen nach Israel. Verlagsintern formulierte Springer vier Grundsätze aus. Sie lauteten:

  1. Das unbedingte Eintreten für die friedliche Wiederherstellung der Deutschen Einheit in Freiheit.
  2. Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes.
  3. Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus.
  4. Die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft.

Dann möchte ich den Politiker Thomas Dehler (1897-1967) nennen. Der gebürtige Jurist aus Franken trat 1926 der Bamberger Loge „Zur Verbrüderung an der Regnitz“ bei. Nach deren Verbot in der NS-Zeit gehörte er 1946 zu den Wiederbegründern der Loge.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zählte Dehler zu den Mitbegründern der FDP in Bayern, deren Landesvorsitzender er von 1946 bis 1956 war. Von 1949 bis 1953 wurde Dehler Bundesjustiz-Minister und zuletzt ab 1960 bis zu seinem Tod Bundestags-Vizepräsident.